Heute nun sollte der uns schon in den ersten Vertriebsgesprächen als wunderbares Ereignis gepriesene Bemusterungstermin stattfinden. Wir erinnern uns noch genau an die rosa-schillernden Beschreibungen dieses schönen Ereignisses durch die Verkäuferin. Die lauteten etwa so: „Dann fahren wir am Abend vorher in aller Ruhe nach Magdeburg. Dann buchen wir für Sie ein schönes Hotel und bei einem gemütlichen Abendessen und einem Glas Sekt stimmen wir uns schon einmal auf den nächsten Tag ein. Und dann dürfen Sie aus den vielen schönen und hochwertigen Details auswählen, damit Ihr Traumhaus bald Wirklichkeit wird.“ Sicher nicht wörtlich, aber millimetergenau in diesem säuselnden Duktus.
Und schon damals ging uns durch den Kopf: ‚Ob wir das wirklich wollen?‘ Einmal ganz abgesehen davon, dass mich Phrasen wie ‚Traumhaus‘, ‚Badparadies‘ oder ‚Wohlfühloase‘ im Zusammenhang mit unserem Projekt und insbesondere mit den bisherigen Erlebnissen regelrecht aggressiv machen, war die Vorstellung von einem Bemusterungstermin eher von einer stressigen, nervenzehrenden Veranstaltung geprägt. Wer recht behalten sollte, ist nahezu überflüssig, zu erwähnen.
Wir sind also in aller Frühe nach einer kurzen Nacht aufgestanden und nach Magdeburg ins Kern-Haus-Kompetenzzentrum gefahren. Kern-Haus-Kompetenzzentrum. Man muss es sich im Kleinhirn zergehen lassen. Kern-Haus-Kompetenzzentrum. Der Inbegriff eines Paradoxons – und eines mitten aus dem Leben.
Die beste Idee vom Auftragnehmer war es, den Bauleiter schon einmal mit in den Termin einzubinden. So konnten wenigstens wichtige Fragen direkt vor Ort auch beantwortet werden. Zeit, um die Dinge ausführlich und in Ruhe zu besprechen, war natürlich nicht. Alles ähnelte eher einem Schweinsgalopp durch Standardtüren, Standardgriffe, Standardfensterbänke und allerlei anderen Standardstandards. Wer Inneneinrichtung im Bauhausstil für ein Haus im Bauhausstil sucht, wird vergeblich suchen. Das Einzige, das das Kern-Haus im Bauhausstil mit Bauhaus zu tun hat, ist das flache Dach. Ein Besuch in Dessau sollte für alle Pflicht sein, die bei Hausbau-Firmen auch nur am Rande etwas mit Bauhausstil zu tun haben (wollen).
Und so kam es, dass unser sicher durch uns extrem genervter Bauleiter das eine oder andere Element aus der Bemusterungsliste komplett streichen und mit dem Vermerk ‚bauseitig‘ versehen musste. Konkret bemustert haben wir lediglich
- Hauseingangstür
- Innentüren inkl. Drückergarnituren
- Außenfensterbänke
- Außenputz
- Badewanne und Gästebad
Alles andere wie Steckdosen, Lichtschalter, Balkon- und Treppengeländer, Fliesen usw. usw. dürfen wir dann mit den ausführenden Firmen vor Ort besprechen.
Nachdem wir nach etwa 5 Stunden auch noch auf die fast komplette hochwertige Kern-Haus-Badausstattung verzichtet und nur das Gästebad mit hochwertigem und aufpreispflichtigem V&B-Porzellan ausgewählt haben, machten wir uns auf die Heimreise. Vorbei an der Bauhausstadt Dessau und mit der Frage im Kopf ‚Was haben wir hier heute eigentlich gemacht?‘